Jan Kretzschmar: Portfolio

Wie funktioniert der Neubau von bezahlbarem Wohnraum?

Wie funktioniert der Neubau von bezahlbarem Wohnraum?

Jan Kretzschmar, Geschäftsführer der KW-Development, über Vorgaben, aktuelle Herausforderungen und darüber, wie es trotzdem gelingen kann, Bautätigkeiten weiter voranzutreiben

Das Ziel der Ampelregierung war, jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Anhaltend hohe Baupreise, gestiegene Zinsen und Anforderung an Eigenkapital bei anhaltend hohen Grundstückspreisen setzen die Bau- und Immobilienbranche auf der finanziellen Seite unter Druck. Deutlich höhere Anforderungen an energetische Standards und die zunehmende Integration erneuerbarer Energien für Wärme und Strom verschärfen das Problem. Hinzu kommen in die Länge gezogene Genehmigungsverfahren, unausgewogene Baulandmodelle, die die mittleren Einkommensschichten benachteiligen, sowie eine unzuverlässige Förderlandschaft.

Unterm Strich ist dies ein Gift-Cocktail für eine gesunde Bau- und Investitionskultur. Das Ergebnis dieser Gemengelage: das Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr ist in weite Ferne gerückt. Im vergangenen Jahr dürfte die Zahl gerade noch bei 295.300 gelegen haben, für dieses Jahr schätzt die Branche einen weiteren Rückgang auf 200.000. Und nicht nur die Zahl der fertig gestellten Wohnungen sinkt. Auch die Zahl der Baugenehmigungen nimmt ab.

Abbau von Bürokratie und schnellere Verfahren

Das Problem beginnt schon bei den Genehmigungs- und Bebauungsplanverfahren. Hier muss es deutlich schneller gehen. In Berlin dauert ein Bebauungsplanverfahren, das dem Baugenehmigungsverfahren vorangestellt ist, mittlerweile durchschnittlich 10 Jahre. Neben dem Abbau der Bürokratie brauchen wir hier deutlich mehr „gesunden Menschenverstand und Verhältnismäßigkeit“, vor allem auch bei der Prüfung und Berücksichtigung von Naturschutz- oder Denkmalschutzvorgaben. Auch die Notwendigkeit der fast unendlichen Anzahl an Vorschriften und Normen sollte überprüft werden. Generell bedarf es auch mehr Verständnis für die Bedürfnisse aller am Bauprozess Beteiligten. Hier wünsche ich mir eine viel engere Kooperation, eine zielorientierte, konstruktive Zusammenarbeit, von Politik, Verwaltung und privaten Wohnungsbauunternehmen statt wie so oft ein Gegeneinander. Denn jede Wohnung, die gebaut wird, entlastet den angespannten Wohnungsmarkt. Das gilt nicht nur für Sozialwohnungen. Denn wo das Angebot steigt, sinken die Preise. 

Verlässliche Förderkulisse

Generell ist der Wohnungsbau durch langfristige Planungs- und Baugenehmigungsphasen geprägt. Die Zinsen, Bau-, Material- und Energiekosten steigen seit Jahren und stellen Bauherren vor immer neue Herausforderungen. Die Folge: so manches begonnene Bauprojekt kann nicht oder nur stockend fertiggestellt werden. Vor allem der private Wohnungsbau leidet unter diesen ungünstigen Rahmenbedingungen. Verschärft wird die Situation durch den kurzfristigen Wegfall bestehender staatlicher Anreize, z.B. der KfW-Förderung. Wir alle wollen den Klimawandel aufhalten und sind uns unserer Verantwortung bewusst, doch die immer wieder verschärften Anforderungen, z.B. an die Energieeffizienz von Gebäuden, erschweren eine verlässliche Kalkulation. Als Projektentwickler können wir auch nicht beliebig an der Preisschraube drehen. Denn durch den kurzfristigen Wegfall von Fördermitteln funktioniert bei vielen Hauskäufern plötzlich die Finanzierungskalkulation nicht mehr.

Um diese Effekte auszugleichen und den stockenden Wohnungsbau wieder anzukurbeln, fordere ich seit langem eine verlässliche und auskömmliche Förderkulisse für den Wohnungsbau wie auch für den Erwerb von Eigentum. Zudem wird an der Situation, wie wir sie heute sehen, deutlich, dass die kommunale Wohnungswirtschaft diese Aufgabe nicht allein stemmen kann. Hier würde eine bessere finanzielle Ausstattung der kommunalen Gesellschaften zum Ankauf von Neubaubeständen sicherlich helfen. Mit der KW-Development habe ich für die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen in Berlin und Brandenburg aktiv und überproportional viel preisgedämpften Wohnraum erstellt. Hier wäre noch viel mehr Potenzial, das jedoch u.a. durch die gesetzlichen Vorgaben zur Integration teurer Wärmeversorgungs- und Stromerzeugungsanlagen – auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus – wie zum Beispiel der Umrüstung von BHKWs, nicht ausgeschöpft werden kann.

Baulandmodelle anpassen

Die Baumodelle der kooperativen Baulandentwicklung wurden ursprünglich eingeführt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In der Praxis erreichen die Baulandmodelle zur Förderung des sozialen Wohnungsraums oftmals nicht ihre Ziele und verteuern darüber hinaus die Mieten und Kaufpreise im frei finanzierten Anteil der jeweiligen Projekte. Die Modelle haben in der Regel einige sozialpolitisch positive Aspekte, es gibt aber auch Schwachpunkte.

Mangelnde Flexibilität: Baulandmodelle funktionieren in verschiedenen Stadtteilen und Situationen unterschiedlich gut. Daher besteht die grundsätzliche Gefahr, dass eine starre Anwendung der Modelle, die nicht auf die spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten einzelner Stadtteile eingeht, zu Problemen führen kann. In Berlin zum Beispiel gibt es Stadtteile, in denen es besonders viele Sozialwohnungen gibt, während es in anderen an solchen fehlt.

Lange Umsetzungszeiten: Baulandmodelle erfordern bereits im Vorfeld eine umfassende Bürgerbeteiligung und Konsensfindung sowie einen komplexen Vertrag, was zu längeren Entscheidungsprozessen führen kann. Dies kann zu Verzögerungen bei der Entwicklung von dringend benötigtem Wohnraum führen.

Finanzielle Herausforderungen: Die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum erfordert erhebliche finanzielle Ressourcen. Baulandmodelle beruhen auf der Zusammenarbeit verschiedener Akteure. Derzeit werden Projektentwickler mit der Finanzierung und Umsetzung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe jedoch allein gelassen.

Im Ergebnis führen die geringen Mietansätze für Sozialwohnungen in Verbindung mit hohen Abgaben für Kita- und Schulkosten sowie umfangreiche Naturschutzmaßnahmen bei den hohen Bau- und Finanzierungskosten dazu, dass diese Kosten für Sozialwohnungen auf den Anteil an Wohnungen, die nicht mietpreisgebunden sind, umgelegt werden müssen. Dadurch zahlen Wohnungskäufer um bis zu zwölf Prozent und Mieter um bis zu 17 Prozent mehr als für die Wohnung erforderlich. Das trifft häufig geringe und mittlere Einkommen besonders hart. Hier sehe ich Anpassungsbedarf bei vielen Modellen.

Effizient und mutig planen

Aber klar: Wir als Branche müssen auch unsere Aufgaben machen. Dazu gehört auch der Blick in die so genannten Lagen in Bezirken und Gemeinden der zweiten Reihe mit guter ÖPNV-Anbindung, um überhöhte Grundstückspreise zu vermeiden. KW-Development ist hier mit der Erschließung des Quartiers Beelitz-Heilstätten einer der Vorreiter. In den Städten braucht es aber auch den Mut in den Behörden, die Verdichtung von Städten weiter voranzutreiben, konkret also die Bauhöhe und Baudichte in urbanen Nachbarschaften zu erhöhen. Das Bedürfnis der Menschen nach Ruhe und Erholung in Grünflächen sehen wir als gegeben an, aber nicht genutzte Brachen sollten nicht unbebaut bleiben.

Zu unseren Hausaufgaben gehört es auch, effizient zu planen – von der Grundrissgestaltung bis hin zur konkreten Umsetzung neuer Bauvorhaben. Das bedeutet auch, die heute entstehenden Gebäude technisch möglichst benutzer- und wartungsfreundlich auszustatten. Die kurzen Erneuerungszyklen und die schnelle technische Evolution verteuern Bauprojekte und verlangen von den Bewohner:innen, eine technisch hochkomplexe Wohnung steuern zu müssen. Viele sind jedoch bereits mit der richtigen Belüftung ihrer Wohnung überfordert.

Überprüfung von Bedürftigkeit

Zuletzt bedarf es einer regelmäßigen Überprüfung der Bedürftigkeit an gefördertem Wohnraum. Denn wenn ich einmal eine geförderte Wohnung habe, sollte dies nicht bedeuten, langfristig ein Anrecht darauf zu haben. Diejenigen, die sich im Laufe der Zeit finanziell verbessern und sich eine marktübliche Miete leisten können, sollten den sozial geförderten Wohnraum nicht langfristig blockieren bzw. die Differenz zur Marktmiete ausgleichen, wenn sie in der Wohnung bleiben möchten.

Auf der anderen Seite ist die Ansiedlung von Unternehmen, die den Menschen qualifizierte Arbeitsplätze bieten, ein wichtiger Weg, um den Bedarf an Sozialwohnungen insgesamt zu reduzieren und die Menschen in die Lage zu versetzen, sich die Marktmieten oder den Eigentumserwerb wieder leisten zu können.   

Fazit

Es gibt viel zu tun. Aber wenn alle an einem Strang ziehen, sich fair verhalten und mit einem gesunden Menschenverstand an die Dinge herangehen, kann auch wieder mehr gebaut werden. Sollte dies nicht Fall sein, muss der Wohnungsbau aufpassen, nicht wieder wie in den 90er Jahren in eine Negativspirale zu kommen. Denn, wenn aufgrund der aktuell unsicheren Wirtschaftslage junge Leute keine Zukunft am Bau sehen oder – wie es in manchen Gewerken bereits der Fall ist – Kurzarbeit angeordnet werden muss, droht die Abwanderung von Arbeitskräften in andere Branchen. Und dann kann der Wohnungsbau aufgrund fehlender Fachkräfte keine Fahrt aufnehmen.

zurück

Kontakt

Sie haben Ideen, Fragen oder Anmerkungen?
Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.

Jan Kretzschmar
KW-Development GmbH
Marlene-Dietrich-Allee 12B
14482 Potsdam

T +49 331 70399 300
F +49 331 70399 599