Jan Kretzschmar: Portfolio

Was muss bei der Quartiersentwicklung beachtet werden?

Was muss bei der Quartiersentwicklung beachtet werden?

Jan Kretzschmar, Geschäftsführer der KW-Development, erklärt anhand des neuen Quartier Beelitz-Heilstätten, was eigentlich bei solch großen Entwicklungen wie Ortskernen und Stadtarealen beachtet werden muss.

Herr Kretzschmar, das Quartier Beelitz-Heilstätten ist eines der größten Bauprojekte in Brandenburg. Können Sie noch einmal kurz zusammenfassen, was Sie dort planen bzw. schon umgesetzt haben?

Es ist wirklich ein umfangreiches Projekt, bei dem man als Außenstehender schnell den Überblick verlieren kann. Denn wir planen auf insgesamt 63 Hektar Fläche 500 Wohnungen und 800 Einfamilienhäuser. Das Quartier wird dadurch in Zukunft ein neues Zuhause für rund 3.500 Menschen bilden. Da wir nicht überall zur gleichen Zeit bauen können, haben wir das Projekt in zwei Teilbereiche, und diese in einzelne Bauabschnitte aufgeteilt.

Momentan befinden wir uns bei den Arbeiten in Abschnitt 1, 2 und 3, die vor allem den neuen Ortskern und die ersten 250 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern sowie rund 400 neue Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäuser umfassen. Auch die ersten historischen Heilstätten-Gebäude, die hier verortet sind, wurden inzwischen schon liebevoll und umfassend saniert, wie zum Beispiel das Postgebäude, die Bäckerei, die Fleischerei oder die ehemalige Wäscherei. Dort sind Mietwohnungen entstanden.

So wollen wir modernes Wohnen und Denkmalschutz in einer naturnahen Waldsiedlung miteinander vereinen. Zudem ist die Schaffung eines naturnahen Sees, der gleichzeitig als Regenwasserrückhaltebecken fungiert, im zweiten Teilbereich des Projekts vorgesehen.

Wieso sind so viele Häuser des ersten Teilabschnitts jetzt noch im Bau? Warum haben Sie damit nicht angefangen? Wir haben doch auch im Speckgürtel Wohnungsmangel. Dann hätten viele Menschen gleich ein neues Heim

Damit das Quartier keine Schlafstadt wird, haben wir nicht nur ein Ortszentrum mitgeplant, sondern wollten dieses auch relativ früh umsetzen, damit die ersten Bewohner gleich eine intakte Infrastruktur vor Ort haben. Deshalb haben wir zu Beginn schon die Kita, die Bäckerei mit Café, ein Restaurant sowie einen Supermarkt und ein Ärztehaus gebaut. Für die passende Unterhaltung sorgt das Kulturprogramm von KulturBHS. Sukzessive folgen eine Schule mit Sport- und Schwimmhalle, eine Tagespflege und ein Haus für betreutes Wohnen, auch mit einem Drogeriebetreiber sind wir im Gespräch.

Durch diese Maßnahmen müssen die neuen Einwohner nicht weit pendeln, sondern können sich nach dem Einzug gleich wie zuhause fühlen und sich mit dem Quartier identifizieren. So ein Ort kann nur Stück für Stück wachsen. Immerhin wohnen inzwischen schon ca. 1.500 Menschen in Heilstätten, die dort ihren neuen Alltag leben.

Welches Konzept wurde beim Bau verfolgt, um auch für die nächsten Generationen geeignet zu sein?

Das Konzept beim Bau des Quartiers Beelitz-Heilstätten verfolgt einen generationenübergreifenden Ansatz, der die Jüngsten bis zu den Ältesten einbezieht. Die soziale Infrastruktur wurde umfassend und ganzheitlich gestaltet und umfasst Angebote für alle Altersgruppen, darunter Kindergarten, Grundschule, Ärztehaus, Betreutes Wohnen und Pflegeeinrichtung. Alle Wohnungen in den Mehrfamilienhäusern wurden von Anfang an barrierefrei geplant und errichtet, um die Zugänglichkeit für Menschen jeden Alters zu gewährleisten. Zusätzlich wurden Einrichtungen wie ein Supermarkt, ein Café, Plätze und Höfe sowie eine Tauschbibliothek geschaffen, um Begegnungsräume im Quartier zu schaffen. Veranstaltungen von KulturBHS und dem Quartiersverein bieten zudem Gelegenheiten zu Nachbarschaftskontakten und fördern das soziale Miteinander im gesamten Quartier.

Quartier Beelitz-Heilstätten, copyright: KW-D

Was müssen Planer beachten, wenn Neubaugebiete entstehen? Welche Risiken gibt es?

Bei der Entwicklung von Neubaugebieten müssen Planer eine Vielzahl von Faktoren und Interessen berücksichtigen, um nachhaltige, funktionale und lebenswerte Quartiere zu schaffen. Dazu gehören die Planung einer effizienten Verkehrsinfrastruktur für alle Verkehrsteilnehmer, die Bereitstellung moderner Versorgungsinfrastrukturen sowie die Berücksichtigung der lokalen Kultur und Geschichte.

Die Schaffung von Gemeinschaftseinrichtungen und sozialer Infrastruktur, die Integration von Grünflächen und eine ansprechende Landschaftsgestaltung sind ebenfalls entscheidend. Nachhaltige Baupraktiken und Energieeffizienz, verschiedene Wohnformen und -größen entsprechend der Marktnachfrage sowie eine hochwertige städtebauliche Planung und ansprechende Architektur spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Zudem müssen wirtschaftliche Aspekte und rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, sowie eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und dem PKW gewährleistet sein.

Die Nichtberücksichtigung dieser Faktoren kann zu einer Vielzahl von Risiken führen, die die Funktionalität eines Neubaugebiets beeinträchtigen können. Hierzu zählen u.a. die Gefahr der Entstehung einer Schlafstadt durch fehlende Angebote vor Ort, eine ineffiziente Verkehrsinfrastruktur, die fehlende Akzeptanz der bereits vor Ort lebenden Bevölkerung gegenüber Neuzuzüglern, hohe Energiekosten für Anwohner aufgrund geringer Energieeffizienzstandards sowie eine monotone Anmutung des Quartiers. Um diesen Risiken entgegenzuwirken, ist eine sorgfältige Planung und Umsetzung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren unerlässlich.

Gibt es Neubaugebiete, die sich im Nachhinein als Fehlplanung herausgestellt haben? Wie stellen Sie sicher, dass das in Heilstätten nicht der Fall ist?

Mir sind keine Neubaugebiete bekannt, die gänzlich als Fehlplanung bezeichnet werden können. Mein Team und ich haben die oben genannten Faktoren bei der Planung von Anfang an berücksichtigt und profitieren von jahrelangen Erfahrungen in der Quartiersentwicklung. Seit der Gründung der KWD 2012 haben wir uns auf die Entwicklung ganzer Stadtquartiere spezialisiert und wissen daher, welche Faktoren zu beachten sind. Wir achten darauf, jeden Standort ganzheitlich zu denken, damit alle Bedürfnisse der künftigen Nutzer optimal bedient werden. Und damit sich die teils quartiersgroßen Projekte zu lebenswerten Orten verwandeln, legen wir zudem viel Wert auf die richtige Mischung aus Gewerbe, Bildung, Sozialem und Wohnen in Miete und Eigentum.

Welche Bedürfnisse muss das Gebiet erfüllen, wenn die Kinder erwachsen sind und die Bevölkerung altert?  Z.B. Wie sieht das Quartier Beelitz-Heilstätten zum Beispiel 2040 aus?

Dank des generationenübergreifenden Ansatzes ist das Quartier absolut zukunftsfähig. Bereits heute sind neben Einfamilienhäusern für Familien mit und ohne Kinder auch kleine Wohnungen, möblierte Apartments und Pflegeangebote vorhanden. Dies ermöglicht es beispielsweise den Großeltern, in der Nähe ihrer Enkel zu wohnen, oder älter werdenden Kindern, eine erste kleine Wohnung zum Kauf oder zur Miete in der Nähe zu finden.

In 16 Jahren werden daher weiterhin für alle Anwohner und Neuzuzügler geeignete Wohnformen zur Verfügung stehen. Zusätzlich werden auch die entsprechende soziale Infrastruktur und Einrichtungen des täglichen Bedarfs vorhanden sein, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden.

Welche sozialen Punkte sind für Sie als Planer wichtig?

Als Projektentwickler ist für uns das Miteinander aller Altersgruppen ein wesentlicher Aspekt. Wir glauben fest daran, dass unterschiedliche Generationen voneinander profitieren und ein harmonisches Zusammenleben fördern.

Darüber hinaus engagieren wir uns aktiv vor Ort und unterstützen das Community Building sowie die Integration des neuen Quartiers in die gewachsene Struktur von Beelitz-Heilstätten und der Stadt Beelitz insgesamt. Unsere Bemühungen zielen darauf ab, die soziale Durchmischung zu fördern und das Quartier zu einem lebendigen und integrativen Lebensraum für alle Bewohner zu machen. Wir sind seit Jahren in allen vier Quadranten von Beelitz-Heilstätten aktiv und haben so von Beginn an direkten Kontakt zu den „alteingesessenen“ Anwohnern gehabt. Mit der Kernstadt kooperieren wir bei vielen Gelegenheiten, wie z.B. zur LAGA. Dazu schaffen wir zahlreiche Begegnungsflächen, wie den Marktplatz oder auch eine Büchertauschstation, die für alle „alten und neuen“ Beelitzer bereitstehen.

Haben Sie Ihre Planungen während der Bauphase noch einmal angepasst?

Das mussten wir nicht wirklich, da wir das Quartier von vornherein sehr umfassend und ganzheitlich gedacht haben. Aber nachdem die Kita eröffnet hatte und der Run auf die Plätze dort ungemein groß war, sind wir nun dabei, einen geeigneten Standort für einen zweiten Kindergarten zu finden. Ein weiteres Beispiel aus der Praxis hat gezeigt, dass die meisten Neu-Beelitzer mit Hund oder Katze in ihre Häuser und Wohnungen ziehen. Also stehen wir jetzt im Gespräch mit einem Veterinär, der dann auch alle neuen Vierbeiner im Ort versorgen kann. Die Planungen selbst ändern wir daher nicht, aber wir schauen, dass die Nutzung der Gebäude den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.

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Jan Kretzschmar
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